Zieh die Schuh aus, bring den Müll raus
Pass aufs Kind auf und dann räum hier auf
Geh nicht spät aus, nicht wieder bis um eins
Ich verstehe was, du sagst, aber nicht was du meinst.
Diese Zeilen sind der Refrain des Songs „Zieh die Schuhe aus“ von Roger Cicero, indem ein Mann damit hadert, im Selbstverständnis ein so vielseitiger, toller Mann zu sein und dann aber von seiner Frau zu oben genannten Aufgaben verdonnert wird. Damit spiegelt dieses Lied wunderbar den Alltag in so mancher Beziehung. Immer wieder treffen unterschiedliche Erwartungen und Bilder aufeinander – was natürlich nicht immer schlimm ist und auch nicht immer zu Streitigkeiten führen muss. Doch oft macht es dann die Häufigkeit, die Wiederholung, die dem Paar oder den FreundInnen oder den KollegegInnen die Harmonie raubt. Und jetzt? Was tun?
Ich möchte Ihnen heute kurz und knapp die Gewaltfreie Kommunikation (GfK) vorstellen, deren Ziel ist, die Art und Weise zu verändern, wie Menschen miteinander kommunizieren. Sie wurde von Marshall B. Rosenberg (1934-2025) in die Welt gebracht. Er war ein amerikanischer Psychologe, der die GFK in den 1960er Jahren als Reaktion auf seine Erfahrungen mit Konflikten und Gewalt in verschiedenen sozialen und politischen Kontexten entwickelte. Er war damit ein Pionier in der Entwicklung von Kommunikations- und Konfliktlösungsansätzen, die auf Prinzipien der Empathie, des Verständnisses und der gewaltfreien Interaktion basieren.
Rosenberg selbst reiste um die Welt, um die Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation zu lehren und zu verbreiten. Seine Arbeit hat einen bedeutenden Einfluss auf die Bereiche der Therapie, Mediation, Erziehung, zwischenmenschlichen Beziehungen und sozialen Aktivismus gehabt. Für uns bei mediatorinkarlsruhe.de ist sie eine Säule unserer Arbeit mit Menschen.
„Gewalt“ bedeutet in diesem Ansatz oder Kontext, dass Menschen sich ihre eigenen Bedürfnisse auf Kosten anderer erfüllen. In Gesprächen äußert sich das vor allem in Angriffen, Urteilen, Schuldzuweisungen. Manchmal reichen schon kleine Worte wie „müssen“ oder „sollen“, um die Augenhöhe im Gespräch zu verlassen oder Schuld zuzuweisen – Rosenberg hat hier den Begriff der Wolfssprache geprägt. Es entstehen Täter und Opfer, wie bei physischer Gewalt auch.
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Dem entgegen entwickelte er die so genannte Giraffensprache, die ich im Folgenden darstellen möchte. Die Giraffe hat Rosenberg gewählt, weil sie das Landsäugetier mit dem größten Herzen ist.
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3 Elemente sind grundlegend für die GfK und finden in der Mediation Anwendung:
Empathisches Zuhören
Auf der Fähigkeit zu gegenseitigem Verständnis und empathischem Zuhören basieren die Erfolge des menschlichen Zusammenlebens und -arbeitens. Zuhören bedeutet, für den Moment völlig beim Gegenüber zu sein, bei den Gefühlen des anderen mitzuschwingen und dessen Aussagen logisch einordnen zu können.
Meist hören wir nur zu, um zu antworten, unsere Meinung zu sagen – anstatt wirklich verstehen zu wollen. Durch Zuhören und Verstehen kann zwischen Menschen erst Vertrauen entstehen.
Dabei ist wichtig anzumerken, dass Verstehen nicht zwangsläufig Zustimmung bedeuten muss. Wir wechseln beim Zuhören die Perspektive und akzeptieren, dass der andere Mensch gute Gründe für sein Handeln, sein Verhalten und seine Meinung hat. Durch das gegenseitige Zuhören wird es möglich, die Bedürfnisse aller Beteiligten bei der Lösungsfindung zu berücksichtigen. Wenn wir den anderen verstehen, sind wir nicht verpflichtet, seiner Meinung oder seinem Wunsch zu folgen – es kann aber sein, dass wir eher bereit sind, dem anderen das gute Gefühl zu geben, gesehen und gehört zu werden, damit angenommen zu werden und wir ihn eher unterstützen wollen.
Selbstempathie
Sie kennen das sicher, dass Sie in Momenten, in denen Sie ein Thema, eine Situation oder ein Mensch sehr beschäftigt, mit sich ins Zwiegespräch gehen. Entweder laut oder leise nachdenken oder reflektieren. Diese Selbstgespräche werden von ihren bisherigen (Lebens-) Erfahrungen geprägt, von Gefühlen, von Bedürfnissen, Bewertungen und so genannten Glaubenssätzen. Wie schnell bezeichnen wir uns nach einem Missgeschick als „dumm“ oder „unfähig“!? oder einen anderen als „schwierig“, weil er nicht das tut, was uns vertraut ist!?
Darum ist Selbstempathie – ich spreche mit mir selbst, wie mit meinem besten Freund – ein so wertvoller Aspekt im Umgang mit uns selbst. Wir lernen uns selbst besser kennen und schätzen. Wir können Gedanken und Gefühle erkennen und sortieren. Je weiter wir uns entwickeln, können wir auch unsere wahren Bedürfnisse sehen, die uns antreiben und deren Erfüllung uns glücklich macht. Sind wir dann anderen gegenüber ehrlich und sprechen genau diese wahren Gefühle und Bedürfnisse aus, kann das Gegenüber besser verstehen und mit mir gemeinsam eine Lösung finden.
Es gibt viele Übungen, mit denen man sich in sich selbst einfühlen kann. Dies kann helfen, eigene Wut aufzulösen und als Kraft fürs Weitergehen zu nutzen. Oder wir sehen, welche Ressourcen wir in uns tragen, und treffen Entscheidungen aktiv, statt mitzulaufen.
Wir sind authentischer und ausgeglichener, je mehr wir über uns selbst wissen.
Ehrlicher Selbstausdruck
Nutzt man die GfK so übernimmt man die Verantwortung für sich und seine Gefühle und Bedürfnisse. Wir schauen bei uns selbst, worum es uns geht, was eine Äußerung in uns ausgelöst hat. Dabei geht die GFK von der Annahme aus, dass alle Menschen universelle Bedürfnisse haben, die sie durch ihre Handlungen und Kommunikation ausdrücken, d.h. im Kern gibt es nur wenige Bedürfnisse, die wir Menschen alle haben und daher auch kennen, wenn der andere davon spricht. Das kann helfen, Konflikte zu reduzieren und eine tiefere Verbindung zwischen den Beteiligten herzustellen.
Anstelle einer Schuldzuweisung kann nun ein Dialog darüber entstehen, was dem einzelnen wichtig ist, was er braucht, was sie sich wünscht. Letzteres ist ein wichtiger Schritt: Es wird sehr konkret formuliert, welche Unterstützung wir uns erhoffen. Ausgangsbasis ist immer, eine wertfreie Darstellung des Beobachtbaren. Was habe ich gesehen, gehört, geschmeckt etc. in der Situation – wirklich ich persönlich. Damit ist klar, auf was sich meine Reaktion bezieht.
Dabei ist die Grundhaltung eine verbindende, ich bin bereit mit dir über die Lösung zu verhandeln, es soll uns beiden gutgehen. Dabei ist man nicht immer nur nett, aber bleibt stets wertschätzend.
In der GfK geht es also darum, in einer wertschätzenden Verbindung mit anderen Menschen zu sein. Dafür ist aufrichtiges und authentisches Auftreten nötig. Es kann sein, dass Sie Ihre Wortwahl gegebenenfalls dem Gegenüber anpassen müssen, um verstanden werden zu können. Doch Sie sprechen nur von sich selbst und greifen niemanden an oder verurteilen ihn.
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Hilfreiche Instrumente sind die 4 Schritte der GFK
o Beobachtung
o Gefühle
o Bedürfnisse
o Bitte erkennen und formulieren
und dabei die wichtige Unterscheidung von:
- Beobachtung und Bewertung,
d.h. ich schildere meine Beobachtung neutral, ohne Werturteile. - Gefühle und Gedanken,
d.h. es geht um mein Gefühl, das durch die Situation ausgelöst wird, denn dieses färbt auch meine Gedanken, dieses Gefühl gilt es auszudrücken. - Bedürfnisse und Strategien,
d.h. ich kann viele Wege suchen und finden, um mein Bedürfnis zu befriedigen – ich muss für eine Veränderung oder zur Lösung eines Konfliktes allerdings mein Bedürfnis kennen. - Bitten und Forderungen,
d.h. da Forderungen schnell auf Ablehnung stoßen, nutze ich eine Bitte, denn diese findet Gehör. Und wenn ich es akzeptieren kann, dass diese nicht erfüllt wird, sende ich diese mit einer anderen Energie.
Das klingt vielleicht für Sie im Moment ganz einfach und intuitiv oder es klingt sehr schwierig und sperrig, das ist ganz unterschiedlich. Wirklich „gewaltfrei“ zu sprechen und zu leben, diese Haltung einzunehmen, ist ein jahrelanger Prozess und hört vermutlich nicht auf. Denn wir alle werden täglich vor Herausforderungen gestellt. Konflikte sind in jedermanns Leben und manchmal kommt man allein damit nicht zurecht. In einer Mediation helfen wir den Konfliktparteien ihre Themen auf die o.g. Art und Weise auszudrücken, sich als Menschen zu zeigen mit allen Gefühlen und Bedürfnissen und können damit Verständnis füreinander schaffen. Wenn sie einander ihre Bitten formulieren, ist dies ein großer Schritt auf dem Weg zur Lösungsfindung – und diese Lösung(en) sind meist für beide gut annehmbar und realisierbar.
Falls Sie in einem Konflikt innerhalb Ihrer Beziehung, Ihrer Familie oder auch im beruflichen Kontext stecken und professionelle Unterstützung brauchen, melden Sie sich gerne bei mir oder den KollegInnen von mediatorinkarlsruhe.de
Und falls Sie sich fragen, wie die Frau dem Mann die im Songtext dargelegten Aufgaben „anders“ und gut annehmbar vermitteln könnte, hier ein Vorschlag:
„Du, ich sehe gerade, dass du deine Schuhe noch anhast – würdest du sie bitte ausziehen, da ich gerade gewischt habe und mir wirklich Mühe gegeben habe, alles sauberzukriegen.„
„Du, ich bin gerade total erschöpft und bräuchte so dringend ein erholsames Bad. Würdest du die Kinder in der Zeit übernehmen? Das täte mir wirklich sehr gut.„
Viel Spaß beim Ausprobieren!