Mediation in kleinen Bauprojekten – im Gespräch mit einem Architekten und Bauleiter

Wenn über Bauprojekte medial berichtet wird, sind Begriffe wie Konflikt, Forderungen, Mehrkosten … Aber auch Begriffe wie Einigung, Schlichtung, Ausgleich … kaum wegzudenken. Mediationsverfahren sind, insbesondere im Kontext von Planfeststellungsverfahren ein gängiges Mittel, insbesondere wenn, beispielsweise im Rahmen von Planfeststellungsverfahren, die Öffentlichkeit zu beteiligen ist.
Sei es die Elbphilharmonie, der Berliner Flughafen oder eben die Startbahn West – im politischen und steuergeldfinanzierten Projektkontext ist es üblich, Mediatorinnen und Mediatoren zu beauftragen.

Konfliktmanagement in kleinen Bauprojekten

Ich fragte mich: Wie sieht es in kleineren und ggf. nicht öffentlich finanzierten Bauprojekten aus? Eine Besonderheit, die (fast) alle Bauprojekte eint, ist schließlich deren Unikatcharakter. Auch wenn stets Abläufe standardisiert und Prozesse optimiert werden, zeichnet sich das Bauprojekt schon per Definition durch einen erhöhten Innovationsgrad aus. Dass zu Projektbeginn kalkulierte Kostenrahmen im Projektverlauf gesprengt werden, ist eher der Regelfall, als die Ausnahme. Nicht umsonst gibt es, auftraggeber- wie auftragnehmerseitig häufig eigene Teams, die sich ausschließlich um das Claimmanagement (Forderungs- und Gegenforderungsmanagement) kümmern.
Ganz unabhängig von der Projektgröße bleiben Konflikte nicht aus.

Wann ist der Einsatz eines Mediators sinnvoll? Wann ist der Einsatz eines Mediators sinnvoll? Was sind Voraussetzungen für eine gelungene Wirtschaftsmediation im Kontext „Planen, Bauen, Abrechnen“?

Hierzu habe ich mit dem Inhaber eines Architekturbüros ausgetauscht, der hier anonym bleiben möchte. Herr D. betreut seit rund 35 Jahren *in den HOAI-Leistungsphasen 5-7 verschiedenste Bauvorhaben für öffentliche und private Auftraggeber in der Planung und Ausführung. Kürzlich hat er, gemeinsam mit einem seiner Auftraggeber, die Dienste eines Mediators in Anspruch genommen. Über seine Erfahrungen und die Schlüsse, die er daraus zieht, haben wir uns unterhalten. Unser Gespräch gebe ich sinngemäß (und leicht gekürzt) wieder, einige textliche Änderungen zur Wahrung der Anonymität aller Beteiligten und Reduktion der Komplexität in Hinblick auf die Bautechnik habe ich vorgenommen.

Im Gespräch mit dem Architekten Herrn D.

Sophie Trosdorf: Herr D., Sie haben nach 35 Jahren Berufspraxis nun zum ersten Mal an einer Mediation im beruflichen Kontext teilgenommen. Wie kam es dazu?

Herr D.: Wir sind uns zum Abschluss eines Projektes einfach nicht einig geworden, das hat mich wirklich frustriert. Das Verhältnis zu meinem Auftraggeber war eigentlich immer gut– solange ich eben gemacht und gemacht und geliefert und geliefert habe. Und, solange noch Budget vorhanden war. Die Baustelle lief viel länger als geplant. Es gab Unstimmigkeiten in der Planung – wir haben auf der Baustelle Lösungen gefunden, soweit das möglich war. Doch einige Planungsfehler waren so schwerwiegend, da mussten die Ausführungspläne einfach angepasst werden. Alles kann ich als Bauleiter auch nicht retten, da müssen die Vorleistungen schon passen. Mehrfach habe ich schon damals darauf hingewiesen, dass das zeitlich alles ganz schön knapp wird. Und dann kam Corona. Und dann die Materialpreissteigerungen… am Ende war die Wohnanlage 3 Jahre später fertig, als ursprünglich geplant. Und das Budget wurde natürlich ebenfalls total gesprengt. Mein Auftraggeber war „not amused“, als neben umfangreichen Nachtragsforderungen der ausführenden Firmen auch ich noch meine Mehraufwände anzeigt habe. Aus seiner Sicht war mit meinem nach HOAI berechneten Honor alles abgegolten. Für mich war das allerdings nicht ansatzweise auskömmlich und auf die Bauzeitverlängerung konnte ich keinen Einfluss nehmen.

Sophie Trosdorf: An welchem Punkt haben Sie sich dann dafür entschieden, einen Mediator hinzuzuziehen? Gab es einen konkreten Auslöser?

Herr D.: Einen konkreten Auslöser kann ich nicht benennen. Der Ton in den E-Mails und Briefen wurde jedenfalls immer formeller, Telefonate wurden seltener und persönliche Treffen wurden schließlich ganz vermieden. Für mich persönlich war der finanzielle Druck und die Sorge, hier meine Belange nicht durchsetzen zu können, groß. Gleichzeitig wollte ich den Auftraggeber auch für potenzielle zukünftige Projekte nicht verlieren. Mediation als Alternative zum Rechtsstreit war mir bekannt und so habe ich meinem Auftraggeber vorgeschlagen, einen Mediator mit Kenntnissen im Werkvertragsrecht hinzuziehen, um einen Kompromiss zu finden.

Sophie Trosdorf: Die Initiative ging also von Ihnen aus? Wie haben Sie Ihren Auftraggeber an Bord geholt?

Herr D.: Ja, wie gesagt, bei mir war der Druck einfach größer. Mein Auftraggeber bzw. der zuständige Vertreter dieser Firma war von Anfang an nicht abgeneigt, da das Thema und meine Forderungen auch dort intern bereits Wellen geschlagen hatte. Als Problem stellten sich jedoch die Kosten für das Mediationsverfahren dar. Die Firma wollte diese nicht tragen. Ich habe dann vorgeschlagen auch diesen Kostenpunkt im Rahmen der Mediation zu besprechen, dann hat sich der Bauherr darauf eingelassen.

Sophie Trosdorf: Wie haben Sie den für Sie passenden Mediator gefunden?

Herr. D.: Der Mediator sollte sich auch in der Abwicklung von Bauprojekten und mit Werkvertragsrecht auskennen. Das war mir wichtig, da ich nicht nur ein moderiertes Gespräch, sondern konkrete und effiziente Unterstützung bei der Suche nach einer Lösung erwartet habe.
Es gab in meinem erweiterten beruflichen Umfeld einen bautechnischen Sachverständigen, der auch ausgebildeter Mediator ist. Zu ihm habe ich dann Kontakt aufgenommen, alles weitere hat dann der Mediator in die Wege geleitet.

Sophie Trosdorf: Wie lief die Mediation dann ab, wie war der zeitliche Rahmen?

Herr D.: Nachdem wir den Kontakt hergestellt hatten, ging alles recht schnell. Wir haben dann einen Termin etwa einen Monat später ausgemacht. Der Auftraggeber hat sich durch einen berechtigen Vertreter, der auch im Projekt bisher mein Ansprechpartner war, vertreten lassen.
Es gab zwei Termine, jeweils ca. 5 Stunden, mit einem zeitlichen Abstand von ca. einer Woche. Im ersten Termin haben wir eine erste grobe Richtung festgelegt, im zweiten Termin wurde dann schon mit Zahlen jongliert und am Ende haben wir eine Vereinbarung getroffen.

Sophie Trosdorf: Mit welchen Erwartungen sind Sie in die Mediation gegangen?

Herr D.: Mir war wichtig, bei meinem Gegenüber Verständnis für meine Forderungen zu schaffen. Weniger auf einer emotionalen, zwischenmenschlichen, sondern mehr auf der technischen/werkvertraglichen Ebene. Mir ist es aber immer schwergefallen, mir Gehör zu verschaffen, da es sobald eine Zahl im Raum stand, sofort Abwehrreaktionen gegeben hat.
Vom Mediator habe ich mir erhofft, dass er mir Gehör verschafft. Gleichzeitig wusste ich, dass wir durch den festen Termin und das damit geblockte Zeitfenster zum einen gezwungen sein würden, uns miteinander auseinander zu setzen und zum anderen auch der „Druck“ da sein würde, sich auf einen Kompromiss einzulassen. Ich dachte mir, schlimmer würde es in keinem Fall werden.

Sophie Trosdorf: Wurden diese Erwartungen erfüllt?

Herr D.: Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich den abschließenden Termin mit einem Hochgefühl verlassen habe. In erster Linie war ich erleichtert – zum einen, weil ich endlich Zeit hatte, meine Sichtweise zu erklären und zum anderen, weil das leidige Thema „Kosten“ abgeschlossen werden konnte. In meiner Vorstellung war es ebenso, dass ein unabhängiger Dritter meinem Auftraggeber erklären würde, dass ich vollumfänglich im Recht sei und ich im Anschluss 100% meiner Forderungen würde umsetzen können. Ich habe dann im Laufe der Mediation festgestellt, dass das eine reine Wunschvorstellung war. Tatsächlich musste ich mir aber auch eingestehen, dass ich die Argumentation der Gegenseite in Teilen nachvollziehen konnte, wenn es mir gelang, meinen Groll und meine Sorgen eine Zeit lang auszublenden. So ein absolutes „richtig“ und „falsch“ gab es dann doch nicht. Jedenfalls waren wir uns einig darüber, dass ein Gerichtsverfahren sicherlich teurer und vor allem deutlich aufreibender gewesen wäre. Eine Zusammenarbeit, selbst ein Projektabschluss wäre dann kaum noch möglich gewesen.

Sophie Trosdorf: Konflikte sind sicherlich Teil Ihres Tagesgeschäftes. In welchen Konfliktsituationen würden Sie Kollegen, z.B. Architekten oder Bauingenieuren empfehlen, einen Mediator hinzuzuziehen?
Herr D.: Bei großen Auftraggebern ist es gängige Praxis, vertraglich zu vereinbaren, dass im Fall von Streitigkeiten zunächst ein außergerichtliches Verfahren angestrebt wird und erst in letzter Option vor Gericht gezogen wird. Dies gilt dann zum Beispiel auch für Baufirmen. Grundsätzlich halte ich Mediation vor allem dann für sinnvoll, wenn Situationen komplex und vielschichtig sind, oder eine Kette von Ereignissen aufgearbeitet werden muss. Klassische wären Situationen wie gestörte Bauabläufe mit diversen Beteiligten. Und spannend wird es natürlich auch, wenn private Bauherren und Investoren in finanzielle Schieflagen geraten. Auch da können Emotionen schnell hochkochen. Vielleicht wäre es ja sogar möglich, einen Mediator hinzuziehen, bevor „das Kind in den Brunnen gefallen ist.

…nach dem Interview

Die Idee von Herrn D., einen Mediator hinzuzuziehen, bevor „das Kind in den Brunnen gefallen ist“, finde ich spannend. Wie könnte so ein präventives Konfliktmanagement in einem Bauprojekt konkret aussehen? Wann fällt so ein Kind eigentlich in den Brunnen? Wer kann eine solche mediative Rolle in einem Projekt wahrnehmen? Ist das ein Mediator, ein Vertragsmanager? Ein neutraler Dritter (zum Beispiel ein Wirtschaftsmediator) oder vielleicht eine Person aus dem Projektteam?

Gerne gebe ich diese Denkanstöße an Sie weiter.

Falls bei Ihnen „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“ und Sie für einen Konfliktfall im Bereich Bauwesen oder einem anderen beruflichen Kontext einen Mediator/eine Mediatorin suchen, kontaktieren Sie uns gerne für ein kostenfreies Erstgespräch.

Auch zum Thema „präventives Konfliktmanagement“ im (Projekt-)team tauschen wir uns gerne mit Ihnen aus.

Picture of Sophie Trosdorf

Sophie Trosdorf

Wirtschaftsmediation (innerbetrieblich), insbesondere Konflikte in (Projekt-)Teams Mediation im Kontext „Planen und Bauen“ Familienmediation
Interessiert an einem ersten unverbindlichen Gespräch?

Dann kontak­tieren Sie uns gerne.

Nach oben scrollen